Insofern verfüge ich über Expertise und darf meinen, dass ich mir ein Urteil über die letztjährigen Entwicklungen beider Messen anmaßen darf. Denn spätestens seit den Ausschreitungen gegenüber vorab markierter konservativer Verlagshäuser auf der Frankfurter Buchmesse im Jahr 2017 wurde offensichtlich, dass die Buchmessen politisch immer enger wurden. Ich habe damals schon mit der „Charta 2017“ als offenen Brief an unseren Berufsverband, den Börsenverein des Deutschen Buchhandels kritisch darauf reagiert.
www.boersenblatt.net/archiv/1390030.html
Den immer homogener und größer, auch, wie in Leipzig, immer branchenfremder werdenden Buchmessen eine Büchermesse mit kuratiertem umfangreichen Veranstaltungsprogramm unterschiedlicher Genre entgegenzusetzen, ist für mich als gediente Buchhändlerin und erfolgreiche Unternehmerin vor allem geistige Notwehr.
Dem sind viele Gespräche mit Lesern, Kunden und Verlagen vorausgegangen, die sich wieder eine überschaubare Buchmesse wünschen, bei der die Literatur, die Leseförderung und das erlebte gemeinsame Gespräch im Vordergrund stehen.
Welche inhaltlichen Schwerpunkte werden denn bei dieser Büchermesse von Ihnen gesetzt?
Wir streben eine vielfältige und farbenfrohe Buchmesse an. Thematisch wird dies dem Programm der bestehenden Buchmessen entsprechen, denn alle Genres sind uns willkommen. Neben unterschiedlich großen Verlagsständen gibt es finanziell günstigere Gemeinschaftsstände für Kleinstverlage und Selbstverleger und auch ein „KunstMarkt“ für Illustratoren und BuchKunst.
Zudem streben wir ein internationales Segment an. Gerade kleine Verlage - aller literarischen Genres - oder auch Autoren selbst können von der erhöhten Sichtbarkeit im kleineren Rahmen sehr profitieren.
Soll die Messe künftig jedes Jahr in Halle stattfinden? Und warum haben Sie sich für den Messestandort Halle entschieden?
Wir streben eine jährliche Verstetigung dieser Buchmesse immer im November an und wir wollten dafür in Mitteldeutschland bleiben, haben dort auch konkret nach geeigneten Möglichkeiten gesucht. Die Messe Halle kenne ich selbst als Besucherin verschiedener Veranstaltungen und habe dort nach Anfrage ein professionell agierendes Unternehmen für unser Projekt gewinnen können. Gerade für den Erfolg einer neuen Messeveranstaltung ist ein eingeführter erfolgreicher Messestandort mit umfangreicher Infrastruktur unumgänglich. Zudem war ein Termin frei - dies ist in der veranstaltungsstarken Zeit auch nicht überall so.
Mit wie vielen Ausstellern rechnen Sie beim Auftakt von „Seitenwechsel“ im November 2025?
In diesem Jahr strebe ich 50-60 Ausstellern an, wir sind offen für alle Verlage jedweden Spektrums. Zum Einen spreche ich traditionelle Verlage gezielt über Verlagsvertreter und meine persönlichen Kontakte an. Zum Anderen ist es erfreulicherweise so, dass sich täglich Interessenten melden und die Informationen zu den Teilnahme-Konditionen erbitten.
Was unterscheidet diese Buchmesse von anderen Buchmessen?
Wenn ich auf Nachfrage auch immer wieder von einer „alternativ ergänzenden“ Büchermesse spreche, meine ich damit vor allem unsere Offenheit und unser Vertrauen gegenüber allen interessierten Verlagen und Ausstellern. Denn viele Verlage kommen ja aus unterschiedlichen Gründen nicht mehr zu den bestehenden großen Buchmessen. Es ist zum Beispiel so, dass konservative Verlage nach Zulassung oft ungünstig platziert werden. Ich erinnere an die „rechte Ecke“, in die 2018 diese Verlage verschoben wurden.
www.diepresse.com/5511329/frankfurter-buchmesse-grenzt-rechte-verlage-raeumlich-ab
Natürlich wirkt sich dies negativ auf den Kundenbetrieb aus, so dass die Messebeteiligung nochmal mehr eine defizitäre Angelegenheit wird, die es auch für politisch neutrale Verlage auf Grund der Kostenstruktur oft schon ist.
Erschwerend kommt hinzu, dass beide Buchmessen überlaufen und in ihren Größenordnungen unüberschaubar, auch beliebig geworden sind und sich daher Nischenverlage kaum noch präsentieren können. Dies allerdings ist der Sinn einer Messebeteiligung.
Wir setzen vor allem auf ein überschaubares Lesefest, wo an den Ständen Gespräche geführt werden und natürlich auch Bücher erworben werden können. Mit unseren attraktiven Konditionen, einer kostenfreien Veranstaltungsgestaltung vor Ort und einer kreativen Festival-Situation in erprobt professioneller Organisationsstruktur stehen wir auch Sonderwünschen offen gegenüber.
Zusätzlich haben wir mit der Wahl unserer Medienpartner „Tichys Einblick“ und „kontrafunk“ eine Entscheidung für zwei kritische, reichweitenstarke und unserem Projekt positiv gegenüberstehende beliebte Medienunternehmen getroffen. Sämtliche Veranstaltungen dieser Partner waren in letzter Zeit überragende Besuchererfolge. Daran wollen wir anknüpfen!
Und warum nennen Sie Ihre Büchermesse „SeitenWechsel“?
Natürlich geht es nicht darum, hier sprichwörtlich die Seite zu wechseln. Dennoch scheint es mir notwendig, einen Perspektiv-Wechsel zu ermöglichen.
Sie können eine Buchseite umblättern, weiterlesen und verstehen, Personen kennenlernen, von der sie oft gelesen, die sie aber nie persönlich getroffen haben. Denn irgendwann ist jeder Konsens doch nur noch simple Einseitigkeit und jedes Abdrängen von freier Meinungsäußerung macht uns geistig ärmer. Neugierige Leser aber sind reiche Menschen!
„Ich freue mich mit jeder Faser meiner Buchhändlerseele auf unsere Buchmesse, die nach der deprimierenden diesjährigen Leipziger Erfahrung wieder die alten Akzente setzen wird, nämlich ein Fest zu sein für die Freiheit des Wortes und die Lust am Diskurs in einem friedlich-zugewandten Miteinander.“